Donnerstag, Februar 28, 2008

Partei auf Anabolika
»Die Linke« ist nicht zu bremsen, weder dadurch, dass man sie ignoriert, noch mit der Hetze gegen Kommunisten. Dabei hat die Debatte um DKP-Mitglieder in ihren Reihen auch die Orientierungslosigkeit der Partei offenbart.
von Ivo Bozic aus der aktuellen Jungle World

Ein bisschen Sympathie für die Stasi zeigen und die Mauer verteidigen – schon fliegen einem im Osten Deutschlands die Herzen zu? Nach den Umfragen des Allensbach-Instituts und von Forsa war »Die Linke« in der vergangenen Woche dort mit 29,7 Prozent erstmals stärkste Partei. Aber auch im Westen hat ihr die Diskussion um die Äußerungen des über ihre Liste in den niedersächsischen Landtag eingezogenen DKP-Mitglieds Christel Wegner nicht geschadet. In der ganzen Republik lag die Linkspartei in den Tagen der hysterischen Kommunisten-Debatte in den Umfragen bei zwölf bis 13 Prozent, dem höchsten jemals gemessenen Wert.

Die Wahl in Hamburg hat ebenfalls gezeigt, dass man der Partei Lafontaines mit Kalter-Kriegs-Rhetorik nicht wirklich schaden kann. Obwohl auch dort Kader der DKP kandidiert hatten, schaff­te »Die Linke« den Einzug in die Bürgerschaft. Sie hat sich bundesweit etabliert. Bei den anderen Parteien führt das zu einer Art kollektivem Geistesversagen. Doch auch bei der »Linken« selbst zeigt sich eine völlige Orientierungslosigkeit.

Während die CDU die Wahlerfolge der »Linken« im Westen zu einer Art 9/11 für Deutschland aufbauscht, erwägt sie in Hamburg eine Koalition mit den Grünen, jener Partei, die einst mit Blumentöpfen und Strickzeug in den Bundestag einzog und so ihre Verachtung für den Parlamentaris­mus demonstrierte. Aus diesen Reihen der ehemaligen Steinewerfer und RAF-Sympathisanten sind später Minister und Vizekanzler hervorgegangen, was beweist, wie geschichtslos die Verteufelung der längst regierungsgeprüften »Linken« ist. Zumal die Bundeskanzlerin zu ihrer Vergangenheit als »Sekretärin für Agitation und Propaganda« bei der FDJ nichts zu sagen hat, außer dass diese »Kulturarbeit« ihr »Spaß gemacht« habe.

Die SPD schaukelt wie ein Quietscheentchen im Tsunami zwischen rot-roten Regierungskoalitionen und Beschwörungen von Tabus hin und her und macht sich lächerlich. Eine von der »Linken« tolerierte Landesregierung, wie sie derzeit in Hessen diskutiert wird, als ginge es um Leben und Tod der Demokratie, hat es in Sachsen-Anhalt bis 2002 acht Jahre lang gegeben, ohne dass das Abend­land untergegangen wäre. Lediglich die SPD ging unter und lag bei der Wahl 2006 hinter der PDS. Wenn jemand Angst haben muss vor einer solchen Lösung in Hessen, dann vor allem die Sozialdemokraten.

Aber auch »Die Linke« steckt in einer Klemme. Der Fall Christel Wegner hat gezeigt, dass die Partei, die einerseits mit Ideologie aufgepumpt ist wie ein Bodybuilder mit Anabolika und andererseits als populistische Protest- und »Volkspartei« funktioniert, sich perspektivisch zwischen diesen beiden Optionen wird entscheiden müssen. Der parteiinterne Eklat um Wegner jedenfalls war bizarr. Schon dass ausgerechnet ein langjähriger Informant der Stasi wie Diether Dehm den Ausschluss der Genossin aus der Fraktion forderte, mit den Worten: »Es kann mit uns keinerlei Rechtfertigung für die Verbrechen der Staatssicherheit geben«, ist grotesk. Schon weil Wegner genau das definitiv nicht getan hat. Sie hatte lediglich darauf hingewiesen, dass jeder neu entstehende Staat über einen Geheimdienst verfügt. Dass sie dies ganz selbstverständlich auch für einen kommunistischen Staat erklärt, zeigt ihr klassisches autoritäres Verständnis von Kommunismus, mehr nicht.

Absurd waren darüber hinaus die Reaktionen aus kommunistischen Kreisen. Der Linkspartei warfen die Kommunisten eine opportunistische Distanzierung vor, taten aber selbst nichts anderes: »Falsch, verzerrt und sinnentstellend«, »manipuliert« und »skandalös zusammengestückelt« sei der Beitrag im NDR-Magazin Panorama gewesen, war in den zahlreichen Solidaritätsbekundungen zu lesen, 200 solcher Schreiben stellte die Tageszeitung junge Welt trotzig in ihrer Ladengalerie aus. Wegner selbst klagte, »es gab viele Schnitte«, und wetterte über den »Schweinejournalismus«.

Sie alle, einschließlich Wegner selbst, distanzierten sich von dem, was man im Fernsehen hören und sehen konnte, indem sie suggerierten, das sei gar nicht das gewesen, was Wegner gemeint habe, sondern das Ergebnis einer »Medienmanipulation«. Sicher war der Panorama-Beitrag eine Vereinfachung von Wegners Sicht der Dinge, und sie hat auch nicht »Stasi« gesagt, sondern nur »Geheimdienst«. Falsch war der Beitrag im Ergebnis dennoch nicht. Er hat im Gegenteil trefflich auf den Punkt gebracht, wie die Politikerin denkt. Das bewies eine Reportage des Magazins Stern, dessen Mitarbeiter Wegner noch vor der Wahl zuhause besucht hatten. Darin offenbarte sie bereits, ganz ohne »Schnitte«, ihr krudes Weltbild: »In der DDR gab es auch Wahlen, und da haben sich 98 Prozent der Menschen beteiligt!« Denn in der DDR hätten sich »die Menschen gesellschaftlich verpflichtet gefühlt«. In der Tat. Eine nette Umschreibung für die obrigkeitsstaatliche Gängelung. Wegner sagte weiter: »Kuba hat freie Wahlen, wie sie die DDR auch hatte. (…) Eine Gesellschaft, die eine gemeinsame Zielsetzung hat, braucht keine Parteien, die unterschiedliche Ziele verfolgen.«

Nein, Frau Wegner hat keine neue Stasi gefordert. Ja, sie hat die Mauer verteidigt. Vor allem aber verklärt sie die DDR-Diktatur bis ins Letzte. Das tun in dieser stumpfen Vehemenz keineswegs alle in der DKP, es soll sogar Mitglieder geben, die sich in der Partei heimisch fühlen, weil sie eben Kommunisten und deshalb gerade keine DDR-Nostalgiker sind. Zwischen jenen einen Unterschied herauszuarbeiten, hätte eine Strategie für die Linkspartei sein können, mit der sie sich von Wegner hätte distanzieren können, ohne sich die Sympathie der Kommunisten im Lande zu verspielen. Doch das scheint der Partei inzwischen egal zu sein. Der Erfolg ist so groß, dass man auf diese Randgruppe verzichten kann. Dennoch hat die Debatte innerhalb der Linkspartei zu ersten Rissen geführt, und zwar zwischen der nationalbolschewistischen Strömung um Oskar Lafontaine und Dehm auf der einen Seite und den klassischen Kommunisten auf der anderen. Bisher hatten die beiden Strömungen sich auf der Grundlage des gemeinsamen Antiimperialismus und verkürzten Antikapitalismus erstaunlich gut gegen die pragmatischen »Reformer« und wirklichen Sozialdemokraten wie Lothar Bisky und Dietmar Bartsch verbündet.

Die Aufregung der anderen Parteien über die andauernden Wahlerfolge der »Linken« ist jedenfalls kreuzdumm. Zwar stellt die »Linke« eine Gefahr dar für den gesellschaftlichen Diskurs, den sie beständig mit Ressentiments und Stimmungen zu einem dumpfen Protest aufheizt, der sich genauso gut rechtsextrem entladen könnte. Für den Parlamentarismus hingegen ist die Anwesenheit einiger Abgeordneter der Partei, selbst wenn sie alle mit Honeckerhütchen im Landtag erscheinen würden, kein Problem. Und da, wo »Die Linke« mitregiert, ist sie von der SPD kaum zu unterscheiden. Panik entsteht nur deshalb, weil die alten Bündnisse keine Mehrheiten mehr erreichen.

Der Erfolg der »Linken« ist, wie die Erfolge im Westen zeigen, nicht mit DDR-Nostalgie und Sehnsucht nach der Stasi zu erklären. Er ist auch nicht allein mit ihren populistischen Methoden zu erklären, denn damit scheiterte Roland Koch. Den Erfolg verdankt die Linkspartei vielmehr der rot-grünen Bundesregierung, die mit der Agenda 2010 und Hartz IV für Verunsicherung und Wut in der Bevölkerung gesorgt hat. Bis die anderen Parteien diesen Fehler zugestehen oder gar korrigieren, wird »Die Linke« davon profitieren. In ihren Reihen gibt es Mitglieder mit Sympathien für die Hamas, für Nationalismus, Antiamerikanismus und Antizionismus, für einen völkischen Antikapitalismus – das alles gälte es scharf zurückzuweisen. Mit der Kritik an Hartz IV aber hat »Die Linke« einfach Recht, und das weiß und merkt inzwischen jeder im Lande. Gerade die SPD als Verursacherin dieses sozialen Super-Gaus kann das jedoch nicht anerkennen und wird sich weiter selbst schaden – völlig unabhängig davon, ob sie Koalitionen mit der »Linken« eingeht oder ein bigottes Berührungsverbot ausspricht.

Das Problem ist, dass sich die Öffentlichkeit über Dinge empört, die überhaupt nicht auf der Tagesordnung stehen, und damit, so verwerflich sie sein mögen, faktisch harmlos sind. Selbst wenn Christel Wegner wollte, selbst wenn sie eigenhändig den Mörtel anrührte, würde keine Mauer mehr durch Deutschland gebaut. Dehm, Lafontaine und andere nationalsoziale Kameraden können derweil ungestört in der Linkspartei ihr völkisches, antiwestliches Süppchen kochen, denn das schmeckt allen von Links bis Rechts, quer durch die Mitte.

4 Comments:

At 7:23 PM, Blogger Unknown said...

Herr Dehm hat übrigens vor ein paar Jahren ähnliche Aussagen wie Frau Wegner gemacht:
"Eine allzu gedankenlose Distanzierung vom Mauerbau könnte in Zukunft das Verständnis dahingehend dogmatisch versperren, wo eine ökonomisch unterentwickelte Region - um mehr Demokratie, mehr Ökologie, mehr Kulturausgaben, mehr Soziales zu wagen - sich abschottet oder etwa die Abwerbung der vom Monopolkapital bevorzugten Kräftigen, Jungen, teuer Ausgebildeten verhindern wollte."
Quelle: Trupoli.com

Da kann man sich nur wundern

 
At 3:23 PM, Blogger Ivo Bozic said...

krasses zitat, das kannte ich noch gar nicht. sozialdemokraten sind zuweilen eben doch die besten stalinisten...

 
At 4:49 PM, Blogger heuschreck.blogsport.de said...

Zweifelsohne ist es eine schöne Polemik, linke Volkstümler als"Nationalbolschewisten" zu titulieren. Zudem besteht in der "Linken" sicherlich eine Fraktion, die "nationalbolschewistisch" zu nennen ist. Jedoch mag mir nicht nicht einleuchten, weshalb Lafo dazugehören soll: der ist eben ein nationalistischer Sozialdemokrat von der übelsten Sorte, der auch offensiv
rassistisch und antizionistisch daher kommt. "Bolschewist" ist er nicht.

 
At 5:19 PM, Blogger Ivo Bozic said...

@heuschreck: ich gebe zu, nachdem das bündnis aus kpf-kommunisten und lafontaines jüngern gerade ein paar risse bekommt, kann man diese beiden strömungen nicht mehr so klar als einhetliches lager bezeichnen. und der begriff "nationalbolschewisten" für sie wird von da an unscharf. darüber habe ich auch schon nachgedacht...

 

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